Heimatgeschichte Thyrnau-Kellberg
Heimatgeschichte Thyrnau-Kellberg

Die Sankt–Christophorus–Kirche

Dekan Valentin Horner ist es zu verdanken, dass die altehrwürdige Sankt-Christophorus-Kirche in Thyrnau mit Hilfe öffentlicher und privater Mittel einer grundlegenden Renovierung unterzogen wurde. Die Bemühungen des Thyrnauer Pfarrers setzten schon 1962 ein. Nachdem das Landesamt für Denkmalpflege Gelder zur Verfügung stellte, konnten die Arbeiten schrittweise beginnen.

 

Die Kirche liegt am östlichen Ortsrand von Thyrnau im Landkreis Passau. Weiter im Osten, etwa 300 m von St. Christoph, überbrückt die Straße Thyrnau Hundsdorf den Hundsbach. Der Bach und der frühere dort vorhandene Sumpf waren die Ursache für die Gründung von St. Christoph. Niedergeschlagen hat sich dieser Sachverhalt in der Sage, die von einem Ritter weiß, der die Erbauung einer Kapelle gelobte, wenn er unversehrt aus dem Morast

St.-Christophorus-Kirche

entkommt. Zum anderen kommt er zum Ausdruck im Patronat des Christophorus, eines eindeutigen „Wasser- und Brückenheiligen“. Die heutige Straße nach Hundsdorf ist eine künstliche Aufschüttung an der Stelle, an der sie den Bach überbrückt. Diese Stauung ließ einen kleinen See im Norden entstehen, von dem wir seit dem 15. Jahrhundert wissen, als Thyrnau im Besitz der Kienast war. Im 16. und 17. Jahrhundert trieb man bei Jagden die Hirsche in diesen See, wobei sie von einer Insel aus geschossen wurden. Vor dieser künstlichen Stauung bestand eine kleine Brücke oder eine Furt durch die versumpfte Niederung. Die Entstehung der Kirche auf Grund eines Gelöbnisses ist also durchaus glaubwürdig. Die in der Literatur sich eingenistete Behauptung, es handle sich um eine Spitalkirche, ist nicht richtig. Ein Spital gibt es in Thyrnau erst seit der Stiftung des Urban Schätzl ca. 1620. Der Irrtum hat sich eingeschlichen durch eine Bemerkung von Dr. Krick in „Chronologische Reihenfolge der Seelsorgvorstände und Benefiziaten des Bistums Passau“, wo es Seite 527 heißt: „Zur Spitalkirche St. Christoph stifteten am 3. Mai 1464 Degenhart der Watzmannsdorfer und sein Sohn eine Freitagwochenmesse.“ Die Bezeichnung Spitalkirche wurde von Krick erklärend hinzugefügt, denn in der Watzmannsdorfer Stiftung, die die älteste Erwähnung der Kirche zugleich darstellt, heißt es: „...es soll auch ein jeder unserer Kapläne unsere gestifteten Messen alle Tag täglich und ewiglich ohne Unterlaß in der gemeldeten Pfarrkirche zu Kellberg eine Messe lesen, sprechen und halten, ausgenommen alle Freitage soll er zu Sankt Christoph ... eine Messe lesen und halten.“ Es ist also eindeutig nicht die Rede von einer Spitalkirche, aber dieser Irrtum hat sich sogar in die „Kunstdenkmäler von Bayern“ eingeschlichen.

Nun zur Frage der Gründungszeit bzw. des Gründers von St. Christoph: Ein Gründungsdatum ist unbekannt, aber man kann ziemlich sicher sagen, dass die Kirche, wenn auch in noch so bescheidener Form, um 1400 gestanden hat und zwar aus folgenden Gründen: Bei den Renovierungsarbeiten im Inneren wurden an der Westwand über der Empore und in gleicher Höhe verlaufend teilweise an der Nord- und Südwand Fischblasenmotive durch den Kirchenmaler und Restaurator Zunhammer, Altötting, freigelegt, die um 1400 zu datieren sind. An der Südseite der Kirche steht ein Bildstock aus Granit. Er ist eindeutig zur Kirche bezogen und zwar zu deren Eingang hin. Von diesem Bildstock weiß man nun, dass er zur selben Zeit gefertigt wurde wie der Bildstock am nordwestlichen Ausgang des Dorfes, der laut Inschrift um 1447 aufgestellt wurde. Auf Grund der Größe und der soliden und mühsamen Arbeit und unter Berücksichtigung des am Schaft der Säule eingelassenen Opferstockes kann auf ein entsprechendes Alter und auf eine entsprechende Bedeutung der Kapelle geschlossen werden. Die herrliche, steinerne Maria mit Jesuskind, in einer beachtlichen Größe ausgeführt, setzt ebenfalls einen entsprechenden Rahmen voraus. „Die Kunstdenkmäler von Bayern“ datieren diese Maria um 1480. Die schon erwähnten Fischblasenmotive befinden sich an der Westseite der Kirche an einer Mauer, die kurz über dem Zierband unbegründet zurückspringt.

 

In dieser Westwand haben wir den ältesten Bauteil der Kirche vor uns. Diese Mauerstufe diente als Lager für die ursprüngliche Decke. Die Kirche wurde um 1500 um das Doppelte in Richtung Osten verlängert. Der alte Baubestand wird sehr deutlich durch die außen und innen gut sichtbare Mauerfuge gekennzeichnet. Mit dieser Verlängerung des Langhauses bzw. des Chores wurde eine Anhebung der Decke notwendig, um die Proportionen zu wahren. Die Seitenwände der alten Kirche können genauso alt sein wie die Turm- und Westwand, nur ist hier das Fischblasenband nicht so gut gesichert, jedenfalls nicht zum jetzigen Augenblick. Dass der Dachstuhl der alten Kirche um die Hälfte des jetzigen Dachstuhles niedriger saß, zeigt sehr deutlich die Ostseite des Turmes, vom Dachboden aus gesehen. Die Dachneigung war übrigens dieselbe wie heute, wie sich aus der Abzeichnung am Turm ersehen lässt. Und an dieser Stelle muss ein anderer Irrtum der „Kunstdenkmäler von Bayern“ bereinigt werden, nämlich die Behauptung, der Turm gehöre dem 16. oder gar 17. Jahrhundert an. Durch die Abzeichnung des alten Dachstuhles am Turm ist bewiesen, dass dieser schon vor der Kirchenerweiterung gestanden haben muss.

 

Über dem Mittelfenster des Chores wurden bei den Renovierungsarbeiten zwei Jahreszahlen freigelegt. Dort steht, umgeben von einer barocken Umrandung: 1548 RENOVIERT 1679. Die erste Zahl wurde bisher fälschlich als 1598 gelesen, so auch von Alexander Erhard dem Jüngeren. Ich bin der Meinung, dass beide Zahlen eine Renovierung festhalten, also auch die erste Zahl 1548, denn wenn man schon in so ungewöhnlicher Weise das Wort RENOVIERT ausschreibt, um wie viel mehr hätte man das Jahr der Erbauung dieses östlichen Teiles der Kirche hervorgehoben! An den erwähnten Jahreszahlen sieht man auch, dass vor der heutigen Holzdecke, die um 1713 eingezogen wurde, eine etwas höhergelegene vorhanden war, da die heutige Decke diese Jahreszahlen schneidet.

Kleine Christophorus-Figur, Höhe 47 cm

Die St.-Christophorus-Kirche barg bzw. birgt noch bedeutende Kunstwerke. Bis auf das Altarbild vom Jahre 1598 sind jetzt alle anderen von Bedeutung in der Pfarrkirche von Thyrnau. Die schon aufgeführte steinerne Marienfigur mit Jesuskind ist alleine schon eine Fahrt nach Thyrnau wert. Aber auch der kleine Christophorus aus der Spätgotik oder St. Barbara und Margaretha aus dem Rokoko, sowie St. Sebastian und St. Philippus sind beachtenswerte Heiligenfiguren, die alle früher in der St.-Christophorus-Kirche standen.

 

Das Altarblatt stellt eines der für den Raum des Unteren Bayerischen Waldes seltenen Renaissancebilder dar. Gestiftet wurde es 1598 vom damaligen Dompropst und Generalvikar von Passau, Christoph von Pötting, der sich damit seinem Namenspatron verlobte. Grund war der Antritt seiner Administration für den noch unmündigen Fürstbischof Erzherzog Leopold. Zugleich tat er etwas für die Verschönerung der Kirche, über die Urban Schätzl die Vogtei besaß und der seine Cousine Maria Isabella von Pötting und Persing geheiratet hatte.

Altarblatt in der Christopherus-Kirche Altarblatt in der Christopherus-Kirche 1598

Damit kommen wir zu den Besitzverhältnissen dieser Kirche in früherer Zeit. Als Erbauer der Kirche kommen in Frage die Familien Thyrnau oder Kienast. Beide Familien hatten um 1400 vermutlich einen Teil des Doppellehens Thyrnau inne, die Tyerna oder Tirna noch und die Kienast schon. Je tiefer man sozusagen in das 14. Jahrhundert käme, je mehr Wahrscheinlichkeit spräche für die Thyrnauer, die sich urkundlich bis 1257 verfolgen lassen.

 

Im Jahre 1431 beteiligte sich Achatius von Tyerna an einem Aufstand gegen den Bischof und ist vermutlich dadurch seines Lehens verlustig gegangen. Um 1450 erscheinen die Pschaechel neben den Kienast auf Thyrnau, und durch eine Heirat einer Sabina Pschaechel mit Georg von Watzmannsdorf tritt dieses berühmteste und älteste Passauer Ministerialengeschlecht in Beziehung zu Thyrnau und zu St. Christoph. Am deutlichsten wird diese Beziehung durch die sogenannte Watzmannsdorfer Stiftung vom Jahre 1464, in der festgelegt wurde, wie schon erwähnt, dass täglich eine Messe in Kellberg gelesen werden soll, aber in Sankt Christoph an jedem Freitag. Der Grabstein dieses Georg von Watzmannsdorf befindet sich heute in Kellberg an der Außenwand der Leonhardskapelle. Der Sohn aus dieser Verbindung hieß Christoph, sein Grabdenkmal ist in der Pfarrkirche zu Hutthurm.

 

Im Landshuter Staatsarchiv hat sich eine aufschlussreiche Urkunde aus dem Jahre 1597 gefunden, die sich ausschließlich mit der St.-Christophorus-Kirche und zwar mit der „Voggt-Obrigkeit und Kirchen Schuz yber St. Christoph Capellen zu Thyrna“ befasst. Wichtige Schlüsse können aus dieser Urkunde über die Verleihung der Vogtei an die Schätzl gezogen werden. Bischof Urban von Trennbach ist der Aussteller des Schreibens. Er nennt die Kirche „Capellen oder Oratorium“. Er stellt fest, dass er als Landesfürst die Vogtobrigkeit besitze und dass dieses Oratorium bisher von den Spenden „gottseelger“ Leut erhalten; aber mit keinen Pfründen ausgestattet worden sei, und deshalb sei die Gebäulichkeit so heruntergekommen, dass sich darin die wilden Tiere aufhielten. Er, der Bischof, müsse deshalb die Kapelle unter die Herrschaft der Besitzer von Thyrnau stellen, mit der Auflage an diese, dass sie die Kirche wieder so instand setzen, dass darin die herkömmlichen Gottesdienste wieder gehalten werden können. Wörtlich heißt es: „...der gebührliche und von alters hero gwohnliche gottes dienst ...“

 

In der Urkunde heißt es weiter, dass die Vogtei wieder an den Bischof zurückfalle, wenn der Inhaber der Herrschaft Thyrnau mit der Unterhaltspflicht für die Kirche in Verzug gerät. Weiter geht aus dem Dokument hervor, dass St. Christoph vor 1597 eine Wallfahrtsstätte war, denn es heißt: „... ainezo aber nach deme die Kirchfarth der orthen fast ganz aufgehört ...“

 

Eine ehemals gutbesuchte Wallfahrt erklärt auch die für eine Kapelle auffallenden Ausmaße und vor allem die Notwendigkeit einer Erweiterung im 15. Jahrhundert. Mit der Wallfahrt zu begründen ist auch die auffallende Tatsache, dass die Kirche einen zweiten Ausgang hat, der sonst ganz unnütz an der Nordseite der Kirche wäre. Nicht zu vergessen ist das neben einer Wallfahrtskirche notwendige Wirtshaus, das wir im Gasthaus Zeindl wiederfinden und das um 1550 auch einen Badebetrieb unterhielt.

 

Etwas schadlos hielten sich die Herren von Schätzl wegen der eingegangenen Verpflichtungen, indem sie die Kirche als dekorativen Hintergrund für genealogische Wandmalereien nutzten. Diese nicht vollständig freigelegten und renovierungsbedürftigen Malereien sind in ihrer Art einmalig und geben dem sonst nüchternen Innenraum eine starke, belebende Wirkung.

 

Welche Gottesdienste wurden in der St.-Christophorus-Kirche gehalten? Anhand einer Aufstellung aus dem 16. Jahrhundert, evtl. auch schon 15. Jahrhundert, und einer aus dem Jahre 1714 fanden Gottesdienste statt: Am Freitag vor Laetare: „ ... vulgo die gnad ...“ „als ein gesungenes Amt“. Am Freitag vor Judica: „ ... vulgo die gnad ibidem ...“ „Ein Amt, Evangelio und gemain gebett“. Bei diesen beiden Freitagsgottesdiensten handelt es sich wohl um die reduzierten Freitagsmessen der Watzmannsdorfer. Sie bildeten sich im Laufe der Zeit zu Wallfahrtstagen aus. Weiter war Gottesdienst in St. Christoph: Am 2. Sonntag nach Ostern: „In festo S... ad St. Christoph“ (nicht lesbar, vermutlich Peter und Paul). - „Am St. .. .tag ist der erste Kreuzgang und wird das Kreuz nach St. Christoph getragen, alda ein gesungene Meß gehalten und dann gemain Gebet.“ - „Zum St. Jacobstag wird Gottesdienst bei St. Christoph gehalten, einem gesungenen Amt und Predigt. Den nächsten Sonntag hernach ist die Dedicatio alda bei St. Christoph“.

 

1692 kam Thyrnau an den Bischof von Passau. 1699 ließ Bischof Lamberg die Lorettokapelle aus dem Vermögen der Christophorus-Kirche restaurieren. 1803 wurde die Kirche säkularisiert, 1813 der Gemeinde Thyrnau vom Staat geschenkt. 1814 Renovierung durch die Gemeinde. Um 1820 Aufstellung von Grabdenkmälern der Familien Schätzl und Puchleiten aus dem demolierten Passauer Domkreuzgang, Anbringung erklärender Inschriften zu diesen Grabdenkmälern.

 

1899 Renovierung durch Baronin von Leonrod. - Wie der vorhandene Glockenstuhl beweist, besaß St. Christoph 2 Glocken, die aber bei der Säkularisation verkauft wurden.