Der Kellberger Leonhardi-Umritt
In den Jahren 1985 - 2010 waren bei den Kellberger Leonhardi-Umritten durchschnittlich 150 Pferde zu sehen.
Erstmals 1985 wurde auf Anregung von Erich Schätzl vom Kellberger Trachtenverein die alte Tradition des Leonhardi-Umritts wieder aufgenommen.
Die uralte Leonhardi-Wallfahrt in Kellberg drohte in Vergessenheit zu geraten, nur vier 70- bis 83jährige Bauern aus der ehemaligen Mutterpfarrei Esternberg (Anm.: Matthias Schachner aus Höllmühle, Franz Klement aus Edt/Hinding, Josef Schachner aus Bach/Hinding und Josef Gahbauer aus Bayrisch Haibach) kamen noch zum Fest ihres Schutzheiligen. Da mal der eine, mal der andere gesundheitlich nicht auf der Höhe war, kamen auch die vier in den letzten Jahren nicht mehr regelmäßig. Diese Tatsache war für unseren Heimatverein Anlass genug, zusammen mit Pfarrer Josef Wagmann eine Wiederbelebung der alten Tradition einzuleiten.
Welche Tradition besitzt die Kellberger Wallfahrt?
Der Kapellenbau am alten Handelsweg für Salz, Graphit und Eisen stammt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, ist also über 500 Jahre alt. Damit existiert ein gesichertes Datum der Leonhardi-Verehrung in Kellberg. Leonhardi-Kapellen Bayerns und Österreichs in vergleichbarer Lage sind immer mit einer Umritt-Wallfahrt verbunden bzw. verbunden gewesen. Um 1800 wurde eine Rechnung für die Reparatur einer Rosstränke vom Vermögen der Kapelle beglichen; damit ist der ursprüngliche Umritt-Charakter der Wallfahrt bewiesen.
Zur Zeit der Aufklärung, im 18. Jahrhundert, empfand man die vielen Wallfahrten, Kreuzgänge, religiösen Umzüge und Prozessionen als überholt. Die Passauer Fürstbischöfe Firmian und Auersperg verboten zum Teil diese Formen der Volksfrömmigkeit. Damals muss sich die Rosswallfahrt in Kellberg allmählich zur Fußwallfahrt verändert haben.
Damit man die Wallfahrt überhaupt retten konnte und einem generellen Verbot entging, trennte man am 3. Juni 1798 die Leonhardi-Kapelle rechtlich und vermögensmäßig von der Pfarrkirche Sankt Blasius und beauftragte zwei sogenannte Zechpröbste mit der Betreuung des Heiligtums. Diese Zechpröbste, vergleichbar einer Kirchenverwaltung, amtierten bis 1862, erst dann wurde Sankt Leonhard wieder mit der Pfarrkirche vereinigt.
Gerade aus der Zeit der Zechpröbste wissen wir über alle Einnahmen und Ausgaben sehr genau Bescheid. Wir wissen auch, dass zum Leonhardi-Amt die Heiligenfigur aus der Kapelle genommen und in der Pfarrkirche am Altar aufgestellt wurde. Wir wissen, dass die Figur bekränzt wurde. Genau wurde buchgeführt über die geopferten Gaben: Geflügel, Wachs, Flachs, Eier. Die Leonhardi-Reliquie wurde den Wallfahrern zum Kuss gereicht.
Was bedeutet nun das Umreiten der Kapelle?
Die Form des Umrittes, das Umkreisen, hatte in vorchristlicher Zeit magische Bedeutung. Es sollte Bindung nach innen, Vereinigung mit dem umkreisten Zentrum und zugleich Abwehr der bedrohenden Kräfte von außen bedeuten. Im Umkreisen wurde Segen aufgenommen, verstärkt und festgehalten. Noch um 750 musste die Kirche das vorchristliche Pflügen eines Kreises um ein Dorf mit dem „Frühlingspflug“ verbieten. Das Umkreisen, Umtanzen einer Linde gehört hierher.
Das Pferd selbst galt unseren Voreltern als weissagendes Tier. Redewendungen haben das noch in sich „Die Rösser merken es zuerst“ oder „Wenn man das wissen sollte, bräuchte man einen Kopf wie ein Pferd.“ Das Pferd war das Reittier der Götter: Epona war die reitende keltische Göttin und Wotan der reitende germanische Gott. Nur den Göttern durfte es geopfert werden. Wenn uns heute ein Hufeisen Glück bringen soll, dann hängt das noch mit diesem Götteropfer zusammen, und deshalb ist seit der Christianisierung bis heute der Genuss von Pferdefleisch verpönt, weil es sich um unchristliches Opferfleisch handelte.
Ganz allgemein spielte das Pferd eine wichtige Rolle im Alltag unserer engsten Heimat. 1710 stürzte ein Handelsmann, wie sich die Überlieferung ausdrückt, auf dem Weg von Buchsee nach Wolfersdorf, dort wo einmal ein blühender Kirschbaum stand, vom sich aufbäumenden Pferd. Aus Dankbarkeit, dass er ohne Schaden davongekommen war, stiftete er die heute noch bestehende Votivsäule mit obiger Jahreszahl.
Auch ist es noch nicht lange her, als sich die Bauernschaft bei den Hufschmieden in Eggersdorf und Kellberg einfand und in den Gasthäusern um die Kirche auf das Beschlagen der Pferde wartete.
An die Pferde der Postkutschenzeit soll erinnert werden, daran dass im heutigen Lebensmittelgeschäft Kronawitter die Posthalterei in königlich-bayerischer Zeit war.
Zum Sonntagsgottesdienst nach Kellberg ritt man in früheren Jahrhunderten mit dem Ross, soweit man sich das leisten konnte. Eine Postkarte um 1900 zeigt noch die Remise für Kutschen und Pferde an der Westseite des Gasthauses Schwarz.
Noch vor einigen Jahrzehnten war unmittelbar an der Westseite der Leonhardi-Kapelle eine Pferdestallung angebaut. Auch der Brunnen, der ehemals die Rosstränke versorgte, existiert noch, wenn auch zugedeckt, auf dem Vorplatz des Gasthauses Schwarz wenige Meter von der Kapelle entfernt. Ebenso klingt die Wallfahrtstradition nach, wenn man an die Leonhardi-Bildnisse und Leonhardi-Figuren denkt, die in den Bauernstuben des Kellberger Raumes zu finden sind. Beeinflusst von der Wallfahrt ist auch, wenn am Hoamer-Hof in Rassbach heute noch vier aufeinanderfolgende Generationen den Namen Leonhard tragen.
Die Teilnehmer kommen nicht nur aus der Gemeinde Thyrnau, sondern auch aus Salzweg, Hutthurm, Büchlberg, Hauzenberg, Untergriesbach, Obernzell, Esternberg, Freinberg, Wegscheid, Ortenburg, Ruderting, Tittling, Kringell, Thurnreuth, Mietraching und Haarbach.