Heimatgeschichte Thyrnau-Kellberg
Heimatgeschichte Thyrnau-Kellberg

Das Kirchengebäude

1450-1488 Bau des heutigen Chors und Kirchenschiffs

Der Bau des gotischen Chors am Dom zu Passau in der Zeit von 1407 bis 1444 löste auch in den Pfarrdörfern der Umgebung einen Baueifer aus. Der vierstrahlige Rautenstern in den Chorgewölben ist das gemeinsame stilistische Merkmal der Kirchen in Kellberg, Neukirchen am Inn, Höhenstadt, Engertsham, Eholfing und Würding. Der große Dombaumeister Hans Kru­menauer führte ihn in Passaus Herrenkapelle, jetzt Andreas-Kapelle genannt, am Domkreuzgang ein. Von dort machte die Neuerung in der Umgebung Schule.

Rot-goldenes Liliendekor unter dem Fensterlaibungsputz hinter Frauenaltar

Die Standorte und Ausdehnungen der Vorgängerkirchen der heutigen Kellberger Kirche lassen sich teilweise rekonstruieren. Fest steht, dass mit dem Bau des heutigen Gotteshauses um 1450 begonnen wurde. In einem Abgabenbuch für die Pfarrkirche, einem Urbarium von 1720, heißt es: „Anno 1450 ist dies löblich Gotteshauß Kellberg zu Ehren des hl. Nothelfers Blasii von der gnedigen Herrschaft und Watzmannstorfer Familie erbauth und von Grundt aufgeführt wor-den.“ Mit 1450 wird der Baubeginn gemeint sein, wobei die Mauern des Chores und die der al-ten Sakristei eine erste Bauphase darstellen, da sie wesentlich stärker sind.

Die Chorbogenmauer wurde weitgehend von einer Vorgängerkirche, vermutlich der Altmann-Kirche, übernommen und stellt damit das älteste aufgehende Mauerwerk der heutigen Kirche dar.

Man kann vermuten, dass neben Hand- und Spanndiensten von Pfarrangehörigen die Finanz-mittel von der Watzmannsdorfer Familie kamen, wobei der Bau im Einvernehmen mit dem Domkapitel bzw. dem Innbruckamt, welches damals die zuständige Behörde für die Pfarrei Kell-berg war, durchgeführt wurde. Und all das geschah natürlich auch mit Zustimmung der jeweili-gen Bischöfe.

Was den Turmbau betrifft, so war dies Albert von Winkel (1363-1380) und was den Bau des Chores und des Kirchenschiffes betrifft, waren dies Leonhard von Laiming (1423-1451), Ulrich von Nußdorf (1451-1479), Georg Hasler (1480-1482), Friedrich Mauerkirchner (1482-1485) und Friedrich von Öttingen (1485-1485).

Hier sei eingefügt, dass sich die Ortsadelsfamilie der Watzmannsdorfer nach dem Kellberg nahe gelegenen ehemaligen Ort Watzmannsdorf nannte, welcher im Laufe der Zeit in der Ortschaft Thyrnau aufgegangen ist. Diese Familie war in unserem Raum schon um das Jahr 1010 im Auf-trag der Reichsabtei Niedernburg und ihrer Vögte tätig. Die Familienmitglieder fun­gierten - so-weit wir das heute erkennen können - als Untervögte der Grafen von Vornbach, der Sulzbacher Grafen bzw. der Griesbacher aus dem heutigen Untergriesbach. Der Thyrnau-Kellberger Ur- und Ortsadel der Watzmannsdorfer nahm die Organisation einer neuen Landerschließung in die Hand, die sich ungewöhnlich deutlich in der Ortsnamensgebung des 11. Jahrhunderts niederge-schlagen hat, so in Watzmannsdorf, dem heutigen Thyrnau, in Donauwetzdorf, dem alten Tan-netwatzmannesdorf, in Kammerwetzdorf, Wotzdorf, Wotzmannsdorf, Wotzing, Wotzmannsreut und vermutlich auch in Witzmannsberg.

Am deutlichsten wird der Zusammenhang von Ortsadel, Siedlungsgeschichte und Kirche durch eine Urkunde aus dem Jahre 1464, der sogenannten Watzmannsdorfer Frühmessstiftung. Dort heißt es: „Es soll auch ein jeder unserer Kapläne unsere gestifte Messe alle Tag täglich und ewiglich ohne Unterlaß in der gemelten Pfarrkirchen zu Kellberg eine Meß lesen, sprechen und halten, ausgenommen alle Freitag soll er zu Sankt Christophen bei Watzmannsdorf eine Messe lesen und halten.“ Gemeint war damit die Sankt-Christopherus-Kirche am Ostrand des heutigen Thyrnau.

Die Watzmannsdorfer besaßen um 1500 in unserem Raum ca. 400 Anwesen. Noch bis zum Jah-re 1926 ist belegt, dass vor den Sonn- und Feiertagsgottesdiensten für die Watzmannsdorfer Familie gebetet wurde.

Bei der Erstellung des heutigen Chors, wurde die Chorbogenwand der romanischen Vorgänger-Kirche mit einbezogen. Für das Jahr 1488 ist die Fertigstellung des Gesamtkirchenbaus anzu-setzen. Stilistisch ist ein leichter Wechsel zwischen der Errichtung des Chors und des Langhau-ses zu bemerken.

Da der unmittelbar an das Kirchengelände angrenzende Kerber-Hof um 1500 den Hausnamen Zimmermann hatte, ist anzunehmen, dass der Kirchen-Zimmerermeister während der jahr-zehntelangen Bauzeit in diesem Anwesen wohnte und in diesen Hof einheiratete.

Bei der Innenrenovierung 1971 entdeckte man, unter elf Farbschichten verborgen, die Jahres-zahl 1488 über dem rechten Seitenaltar. Im August jenes Jahres fand vermutlich am Sonntag nach Maria Himmelfahrt die Weihe der neuen Pfarrkirche statt. Die Konsekration nahm Weihbi-schof Albert Schönhofer vor. Sein kunstvolles Epitaph in der Andreas-Kapelle am Passauer Domkreuzgang zeigt ihn in vollem Ornat. An den kunstsinnigen Mann erinnert noch heute im Domschatzmuseum der wertvollste Bischofsstab, den das Bistum besitzt.

Grabmal Weihbischof Schönhofer in der Andreas-Kapelle des Domkreuzgangs

In den Mensen der beiden Seitenaltäre eingemauert fanden sich je eine Reliquien-Kapsel, ver-schlossen mit dem Wachssiegel dieses Passauer Weihbischofs. Die Reliquienkapseln wurden 1488 zusammen mit je einem würfelförmigen, bleiernen Reliquienbehältnis aus der Vorgänger-kirche eingebracht. Man war sich schon damals der großen Kirchentradition Kellbergs bewusst und übernahm auch anderes aus der Vorgängerkirche, so ein das Böse abwendende Gesicht an der rechten Chorwand und die spätromanische Grabplatte eines Kellberger Pfarrherrn, die nun vor der Chorstufe liegt.

Die aufgefundenen Reliquien in den Seitenaltären: links oben eines der beiden würfelförmigen Bleibehältnisse, vermut-lich aus der Altmann-Kirche übernommen; oben rechts eines der zwei dosenförmigen Behältnisse mit dem Siegel von Weihbischof Albert Schönhofer; darunter links Knochen-Reliquien und rechts Textilreste der ehemaligen Reliquienum-hüllungen, beides aus einem der Dosenbehältnisse; unten Wiedereinbringung aller vorgefundenen Reliquien am 9.8.1991.

Während der ca. 40-jährigen Bauzeit der heutigen Kirche musste man sich für die Abhaltung des Gottesdienstes mit Notlösungen begnügen. Solange es ging, benutzte man noch Teile der Vorgängerkirche; mit Notdächern und Holzverschalungen musste man sich weiter behelfen. Die schon bestehende Leonhardi-Kapelle konnte benutzt werden, vermutlich mit häufigeren Gottesdiensten, um allen Platz zu bieten.

Die Renovierungsjahreszahlen und die Chorbogen-Wappen

Die Jahreszahlen 1654 über dem Chorbogen und 1646 über dem Chorbogen von Alter her gese-hen, sind ebenso wie 1646 auf der Pechnase oberhalb der Orgel Jahreszahlen von Innenreno-vierungen. Die Zahl 1488 über dem rechten Seitenaltar ist das Jahr der Fertigstellung der heu-tigen Kirche. Die Wolf-Darstellung links stellt einen Hinweis auf das Passauer Domkapitel dar, dem Kellberg unterstellt war. Das viergeteilte Wappen rechts über dem Chorbogen erinnert an Leopold Benedikt Schätzl, den damaligen Inhaber der Hofmark Thyrnau.

Über dem Chorbogen Renovierungsjahr 1654, in der Mitte links der Passauer Wolf als Symbol des Fürstentums und Hochstiftes Passau, rechts das Wappen des damaligen Inhabers der Thyrnauer Hofmark Leopold Benedikt Schätzl

Beschreibung des Kirchenschiffs und des Chors

Die Pfarrkirche ist eine dreischiffige Anlage in einer Mittelstellung zwischen Basilika und Hallenkirche, d. h. Mittelschiff und Seitenschiffe sind fast gleich hoch.

Der Chor ist einschiffig, hat zwei Joche und einen Schluss in fünf Achteckseiten. Er besitzt ein Rautenstern-Netzgewölbe mit drei Schlusssteinen. Der mittlere zeigt das Lamm Gottes in Reliefausführung, den östlichen Schlussstein ziert eine stilisierte vierblättrige Pflanze. Sie stellt eine frühe Form des Watzmannsdorfer Wappens dar. Damit besteht ein weiterer Beleg dafür, dass die Watzmannsdorfer die ortsadelige Erbauerfamilie war. Diese Variante des Watzmannsdorfer-Wappens zeigt das Siegel des Meinhard von Watzmannsdorf von 1300 und des Christian Watzmannsdorfer auf einer Urkunde im Stadtarchiv Freistadt vom 13.1.1399. Das westliche Schlusssteinfeld ist leer.

Entwicklung und Variationen des Wappens des Orts- und Uradelsgeschlechtes der Watzmannsdorfer auf Siegeln des 13. und 14. Jahrhunderts und seine Platzierung als Scheitel- und Schlussstein im Chorgewölbe

Die Gewölberippen ruhen auf durchlaufenden Runddiensten mit schmalen Profilkämpfern. Ein Dienst an der Nordseite trägt unter dem Kämpfer einen Schild mit einer sechsblättrigen Rose. Hierin kann ein persönliches Wappen einer mitstiftenden Person oder des damaligen Pfarrherrn gesehen werden.

An der Südseite gegenüber ist ein maskenhaftes Männergesicht zu sehen, ein beliebtes Zeichen für die Einbindung und Bannung vorchristlicher Kräfte, es hat also apotropäischen Charakter. Dieses Element sollte Tradition und bauliche Kontinuität demonstrieren. Die typischen mandel-förmigen „Quellaugen" stehen in der Tradition keltisch-romanischer Plastik.

Der Chorbogen ist gekehlt. Die spitz gekehlten Scheidbögen ruhen auf quadratischen Pfeilern, denen auf allen vier Seiten keilförmige Dienste vorgelagert sind.

Die drei Schiffe haben Netzgewölbe mit doppelt gekehlten Rippen. An den Wänden der Seiten-schiffe ruhen die Rippen auf Profilkonsolen.

Im Chor wie auch am Langhaus finden sich spitzbogige Fenster mit Schräggewänden, die Au-ßenkanten sind hier mit Stäben ausgesetzt. Das Maßwerk ist nicht mehr erhalten. Das Fenster der Nordseite wurde nachträglich geschaffen, nachdem die ehemals außenliegende Totenkapel-le abgetragen wurde, die 1718 noch mit dem Jüngsten Gericht ausgemalt wurde.

Unter der Treppe zum Chor ist ein Rundfenster, ein Augenfenster, ein „Okulus“. Seit der Roma-nik wurde das Rundfenster im Kirchenbau gerne verwendet. Es war ursprünglich nicht nur für die Lichtzuführung gedacht, sondern es sollte die Verbindung zwischen der Kirchengemeinde und den außerhalb der Kirche im Friedhof bestatteten Pfarrmitgliedern herstellen. Sein kultur-geschichtlicher Vorgänger ist in vorchristlicher Zeit das Seelenloch, der Rauchabzug unter dem Dachfirst, durch den der Verstorbene in das andere Leben ging. Noch früher steht für diesen Gedanken das Seelenloch bei Großsteingräbern.

Der Chor hat außen einen gekehlten Sockel und zweigeschossige Streben mit Giebelschluss. Der Langhaussockel hat Karniesprofil, die Streben sind zweigeschossig mit Pultdach, der Turm besitzt einen Schrägsockel. Die drei unterschiedlichen Sockel der Außenmauern bezeugen die zeitlich unterschiedlichen Bauphasen.

Der südostbayerische Raum und seine Umgebung haben sich in der Spätgotik mit ihren Kir-chenbauten baustilistisch gegenseitig beeinflusst, vor allem durch die Bauhütten in Passau, Kru-mau und Braunau.

Die erste Beschreibung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege für unsere Kirche stammt aus dem Jahr 1920. Das Amt war schon damals der Auffassung, dass Kellberg inner-halb des Bezirksamtes Passau die bedeutendste spätgotische Kirche besitzt.

Die Steinmetzzeichen

Die Steinmetze der großen Dombauhütten Europas gebrauchten als Meister und Gesellen ihre persönlichen Steinmetzzeichen, auch die wandernden Baumeister und Gesellen. Im Kellberg der Spätgotik müssen wir schon wegen der jahrzehntelangen Bauzeit mit mehreren Meistern und Gesellen rechnen. An den vier vorderen Säulen des Kirchenschiffes und dessen Südfenstern sind nach längerem Hinsehen und bei günstigen Lichtverhältnissen unter der Farbschicht schwach durchscheinend runenartige Steinmetzzeichen zu erkennen. Der Werkmeister der End-bauphase meißelte sein Zeichen an nicht zu übersehender Stelle ein, und zwar in etwa 1 m Hö-he auf der rechten äußeren Seite des Türgewändes am nördlichen Eingang. Ein Werkmeister konnte statt seines Steinmetzzeichens auch sein Monogramm anbringen, wenn es darum ging, dass er als Person zu erkennen sein sollte. Und hier in Kellberg scheint so ein Fall vorzuliegen. Dafür spricht, dass zwei Zeichen nebeneinander eingemeißelt und als Groß- und Kleinbuchsta-ben zu lesen sind. In Frage käme der Werkmeister Hans Lintorfer, wobei L und t für seinen Na-men stehen würden. Lintorfer starb als Dombaumeister 17 Jahre nach Fertigstellung der Kell-berger Kirche, also 1505. Er wurde im Domkreuzgang beerdigt.

Steinmetzzeichen; oben vermutliches „Lt“ von Werkmeister Hans Lintorfer

Solange man nicht unter Dach war, wurde vom 1. April bis Mitte Oktober gearbeitet. Zur Geld-entlohnung kamen noch andere Zuwendungen, wie täglich Suppen, Bier und Badgeld. Die Steinmetze führten ihre Tätigkeit bei Baubeginn unter hüttenartigen Bretterverschlägen aus. Wenn ein Teil der Kirchenbedachung erstellt war, zogen alle Bauarbeiter unter dieses. So hat man in der Südwestecke der Kellberger Kirche, wo heute der Beichtstuhl steht, bei der Ausgra-bung für die Bodenheizung 1971 eine große Mörtelpfanne vorgefunden.

Die Beschaffung des Steinmaterials war Sache des Werkmeisters. Das Granitmaterial stammt aus Brüchen der Umgebung. Auf Grund der Nähe zu Passau und der Tatsache, dass der damali-ge Pfarrer Sündelsdorfer von Kellberg zugleich Mitglied des Domkapitels und Dombaumeister war - so wurde der Verwalter des Dombaufonds und der Inhaber der Oberaufsicht betitelt - kann man vermuten, dass die in Kellberg arbeitenden Bauleute eine Art Außenstelle der Dom-bauhütte bildeten. Gefestigt wird diese Vermutung durch Steinmetzzeichen, die am Passauer Dom und in Kellberg angebracht sind.

Die Steinmetzzeichen sind an erster Stelle Kennzeichnungen für die Lohnabrechnung nach Stücklohn, dem „Gedinge“. Die Werkstücke wurden auf Vorrat gefertigt und vor dem Versetzen, das Maurer besorgten, gelagert. Es ist nicht mehr zu beurteilen, ob manche Werkstücke ver-kehrt herum eingesetzt wurden. Auch kann man nicht mehr sagen, ob ein Zeichen spiegelver-kehrt ist, da es sein konnte, dass der Steinmetz die Schablone für sein Zeichen umgedreht ver-wendete. Deshalb wurden in der Abbildung alle Variationen wiedergegeben. Die weitaus meis-ten Zeichen sind nicht sichtbar, da die Werkstücke nur zufällig mit der Zeichenseite nach außen versetzt wurden.

Es gab vorher Perioden der Abrechnung nach Tageslohn, dabei wurden keine Steinmetzzeichen benötigt. Das Festgestellte würde erklären, warum im Chorraum bis jetzt keine Zeichen zu fin-den sind, da stilistisch gesichert ist, dass mit dem Bau des Chores zuerst begonnen wurde. Die Abrechnung nach Stücklohn zwang zu qualitätvollerer Arbeit.

Es war die überlieferte Volksmeinung, dass für den Bau ein besonders guter Mörtel aus Ungarn verwandt wurde. Der wahre Kern der Sage besteht darin, dass, wie oben dargelegt, Bauleute der Passauer Dombauhütte bei der Erstellung der Kellberger Kirche tätig waren. Die Passauer Dombauhütte hatte sich zur Zeit unseres Kirchenbaues von der Wiener Haupthütte lösen kön-nen und nahm nun selbst den Rang einer Haupthütte ein, die sich „DE CRUCE HUNGARIA“, Vom Ungarischen Kreuz, nannte. Die Passauer Dombauhütte war damals nach Straßburg, Köln und Wien die bedeutendste im deutschsprachigen Raum.

Die Steinmetzzeichen belegen die Wanderbewegungen der am Bau Tätigen. Wenn ein Zeichen nur einmal vorkommt, handelt es sich um einen Wandergesellen, der nur solange blieb, bis er mindestens ein Werkstück gefertigt hatte und ausbezahlt werden konnte. Geselle konnte nur werden, wer seine Wanderschaft nachweisen konnte.

Wir finden einmal dasselbe Zeichen in Kellbergs Kirche und kurz nach 1500 bei einem Mitglied der Hütte Admont. Hier war ein Steinmetzgeselle namens Thomas Braun nach Beendigung der Arbeiten in Kellberg später in Admont in der Steiermark tätig gewesen und dort ist im Hütten-buch vermerkt, dass Braun vorher in Freistadt/Mühlviertel war.

Ein anderes Kellberger Steinmetzzeichen findet sich nach Fertigstellung der Kellberger Kirche in Haslach, ebenfalls im Mühlviertel gelegen. Zwei eng aneinander eingemeißelte Zeichen in Kell-berg sagen aus, dass ein Geselle das Werkstück nicht fertigstellen konnte, vielleicht aus Krank-heitsgründen und ein anderer es vollendet hat. Die Zahl der bisher erkannten 35 Steinmetzzei-chen wird sich sicher im Laufe der Jahre erhöhen.

Die Sakristei

Die derzeitige Sakristei wurde 1907 anstelle einer alten errichtet. Das obere Stockwerk dient hauptsächlich der Paramentenaufbewahrung, zum Kircheninneren hin stellt es ein Oratorium dar. Das Erdgeschoss birgt das zum Gottesdienst Notwendige. Beim Abbruch der alten Sakristei stieß man auf Bruchsteingewölbe über einem Untergeschoss, das mit Bauschutt ausgefüllt war. An der Westwand der Sakristei, also an der Rückseite des Frauenaltares, zeigte sich ein größe-res Madonnen-Gemälde, zu Füßen der Madonna kniete eine betende Gestalt. Die alte Sakristei war kleiner als die jetzige. An den wiederverwandten steinernen Sockelleisten der Sakristeiau-ßenseite kann man die Ausmaße der Vorgängersakristei ermessen. Aus dem Erwähnten ist zu erkennen, dass eine Watzmannsdorfer Gruft, in der Maria von den Watzmannsdorfern verehrt wurde, das Untergeschoss der romanischen Sakristei bildete. Darüber befand sich bis 1907 der Sakristeiraum, von dem die Kellberger Pfarrer überlieferten, dass sie wegen der steilen Stufen fast in die Kirche hineinfielen, wenn sie von der Sakristei zur Messfeier gingen.

Der Wehrturm

Um 1370 erfolgte die Erbauung eines Wehrturmes mit einer nach Osten ins Kircheninnere ge-richteten Pechnase und Schießscharte für ein Kleingeschütz, eine Bombarde. Die zeitliche Fest-legung ist nicht vor dem genannten Datum anzusetzen, da davor keine Feuerwaffen im Raum Passau eingesetzt wurden.

Die sechs Turmgeschosse mit Schusserker für Bombarde und Pechnase im 2. Obergeschoss;

das obere Bild zeigt die ausbrechbare Ziegelummauerung der Glockenstubenöffnung nach Osten;

darunter: Turmblick zur Donau in Richtung Passau;

weiter darunter: Blick in Richtung Raum Hauzenberg mit Staffelberg; unten: Gerüstloch mit noch erhaltenem Rundholz

Anlass für den Wehrcharakter des Turmes war sicher die kriegerische Auseinandersetzung zwi-schen Bischof Albert von Winkel und dem Passau­er Bürgertum, das reichsunmittelbar werden wollte wie das von Regensburg. 1367 legten die aufständischen Passauer die Märkte Unter-griesbach und Obernzell in Schutt und Asche und zerstörten auch deren Kirchen. Die Überliefe-rung sagt, dass der Turm mit dem Material der nahe gelegenen, vom Bischof geschleiften Klein-burg Erlenstein errichtet wurde. Heute ist die Örtlichkeit dieser Festung als Burgstall Schloss-berg bekannt. Diese Überlieferung hält wohl den Zusammenhang zwischen dem Aufstand von 1367 und der Turmerbauung fest. Das Turminnere konnte nur über eine Türe im ersten Stock-werk mit Hilfe einer Leiter erreicht werden. Diese Tür ist heute hinter der Orgel gelegen.

Der Kellberger Turm steht ganz in der Tradition romanischer Türme. Seine Funktion ist es, hoch und stark zu sein. Der wehrtechnische Zweck ist ersichtlich aus der Tatsache, dass er den Zu-gang zur Kirche versperren konnte, denn bevor das jetzige Kirchenschiff mit seinen seitlichen Eingängen erbaut wurde, war der Zugang nur durch das Turmerdgeschoss möglich. War der gewaltsam Eingedrungene dennoch im Kircheninneren, konnte er durch Pechnase und die Schießscharte bedrängt werden.

Von Bedeutung ist das Vorkommen von Tuff-Kragsteinen an der Außenseite des Turmes und zwar auf Höhe des Dachansatzes an der Turm-Ostwand zu beiden Ecken hin. Bei der letzten Turmsanierung waren die vom Putz freigelegten Ecksteine deutlich zu sehen. Das leicht zu be-arbeitende Steinmaterial war als Auflager des Dachstuhles vorgesehen. Die zwei Tuffblö­cke sind jetzt wegen der Blechabdeckung nicht mehr sichtbar. Tuff kommt in unserem Raum nicht vor, wohl aber innaufwärts etwa ab Aigen am Inn. Man holte das begehrte, gut zu verarbeitende Material auch aus Passau. Es ist hier in mittelalterlichem Mauerwerk in Sekundärverarbeitung zu finden.

Mit dem Turm wurde ein Gerüst hochgemauert. Nach dem Abschlagen des Putzes waren die Gerüstlöcher mit zum Teil noch darin steckenden Gerüstbalken zu sehen. Das Westfenster der Glockenstube hat nicht wie die drei anderen Fenster eine Granitlaibung, sondern eine Ziegelein-fassung, die beim Ein- und Ausbringen einer Glocke leichter die nötige Öffnung ermöglicht.

Aus der Tatsache, dass über dem Schießscharten- und Pechnasen-Erker im darüber liegenden Turmgeschoss der Zugang zum Dachstuhl schon bei der Erbauung des Turmes angelegt wurde, ist zu schließen, dass der Turm nicht, wie seit über hundert Jahren behauptet wird, freistehend war. Daraus folgt wiederum, dass der Zugang zur Vorgängerkirche nur über das Erdgeschoss des Turmes möglich war. Nur so hatte die Pechnase gegenüber unerwünschten Eindringlingen einen Sinn. Bei den Auskofferungsarbeiten zur Fußbodenheizung fiel auf, dass die Türschwelle vom Turm zum heutigen Kirchenschiff extrem ausgetreten war, was die obige Überlegung stützt. Die Turmhöhe beträgt einschließlich Turmkreuz 35 m.

Die Glocken und ihr Geläute

5 Glocken mit den Tönen f, g, a, c und d läuten das „Salve-Regina-Motiv“. Die älteste Glocke mit dem Ton f ist mit 770 kg auch die schwerste.

Auf dem Glockenmantel ist zu lesen: Nata 1537 - Rupta 1780 - Restituta 1781 (gegossen 1537, gebrochen 1780, wiederhergestellt 1781). Die Reliefs unter dem Glockenmantel stellen dar: Kruzifix mit Maria Magdalena, Maria Immaculata, St. Blasius und St. Leonhard. Die Passauer Glockengießer waren: 1537 (f) Jacomini, 1901 (a) Gugg, 1953 (g 600 kg, c 242 kg, d 165 kg) Perner.

Das Geläut der Glocken ist neben dem Geläute, das die Gottesdienste ankündigt, täglich um 6 Uhr, um 12 Uhr und das besonders stimmungsvolle Abendläuten um 20 Uhr zu hören, zur Win-terzeit früher. Außerdem ertönen in Erinnerung an die Todesstunde Christi freitags die Glocken um 15 Uhr. An Samstagen wird um 14 Uhr der kommende Sonntag angekündigt.

Die Turmkuppel

Die markante Zwiebelkuppel des Kirchturmes ist das Wahrzeichen Kellbergs. Sie ersetzte 1731 ein pyramidenförmiges Dach. Da der geniale dom­kapitelsche Architekt Severin Goldberger im Jahre 1744 in Kellberg beim Bau des Alten Pfarrhofes tätig war, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass er wie 1740 in Neuhofen in der Pfarrei Otterskirchen der Meisterkonstrukteur der schwungvollen Kuppel war. Die Kellberger Kuppel hat einen Durchmesser von 6 m und liegt da-mit nur wenig unter den Ausmaßen des Turmes. Besonders eindrucksvoll zeigt sich die Kuppel-kontur, wenn man sich ihr bei Sonnenuntergang von Osten her nähert.